Die Bundesregierung bricht mit ihren eigenen im Koalitionsvertrag festgehaltenen menschenrechtlichen Positionen!
Was ist geschehen?
Um mit Regierungen wie Italien unter der postfaschistischen Ministerpräsidentin Meloni flüchtlingspolitische Schnittmengen zu finden, bricht die Bundesregierung mit ihren eigenen im Koalitionsvertrag festgehaltenen menschenrechtlichen Positionen. Das ist unerträglich und inakzeptabel. Für diese vertraglichen Vereinbarungen haben sich Politikerinnen und Politiker aller Koalitionsparteien – Grüne, FDP und SPD – mit aller Kraft eingesetzt. Sie dürfen nicht einfach verschwinden!
Am 28. April veröffentlichte die FAZ die Vorhaben der Ampel zur Abschaffung des Zugangs zum Recht auf Asyl. Ein Originaldokument ist bisher nicht veröffentlicht worden.
»Die Bundesregierung hat sich bei den noch offenen Punkten zur Reform des europäischen Asylrechts auf eine gemeinsame Position geeinigt. […Sie ist] grundsätzlich bereit, einem beschleunigten Asylverfahren an der EU-Außengrenze zuzustimmen, das eine einfachere Rückführung abgelehnter Bewerber erlaubt. […] In der Koalition wurden nun einige Punkte vereinbart, die den Vorschlag der EU-Kommission etwas abschwächen. So soll das neue Grenzverfahren nicht für Personen gelten, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von weniger als 15 Prozent kommen; die Kommission hat 20 Prozent vorgeschlagen. Zeichnet sich eine Überfüllung der Außengrenzeinrichtungen ab, soll die Schutzquote auf fünf Prozent sinken. […] Außerdem sollen Familien mit Kindern unter 18 Jahren grundsätzlich ein reguläres Asylverfahren bekommen; die Kommission zieht die Grenze bei 12 Jahren. Die Regierung hebt zwar hervor, dass Haft an der Außengrenze nur als Ultima Ratio in Betracht kommt. Sie akzeptiert aber die dafür schon jetzt bestehenden Voraussetzungen.« (FAZ, 28. April 2023)
In dieser grundlegenden Akzeptanz liegt der Knackpunkt. Denn zuerst soll geprüft werden, ob der Asylantrag überhaupt »zulässig« sei. In der Realität kann dadurch auch Geflüchteten aus Staaten mit höheren Schutzquoten die sofortige Zurückweisung drohen.
Wie wird die Realität aussehen?
Die Pläne für de facto Haftlager an den EU-Grenzen mit Grenzverfahren rücken Schritt für Schritt näher. Denn damit einhergehend wird im Rat eine massive Ausweitung des Konzepts von »sicheren Drittstaaten« geplant: Es soll künftig gar keine Rolle mehr spielen, ob die in Europa schutzsuchende Person in diesem »sicheren Drittstaat« eine realistische Chance auf menschenwürdigen Schutz hat. Sie muss diesen angeblich sicheren Staat nicht einmal betreten haben, um zukünftig dorthin abgeschoben werden zu können.
Vielmehr muss nur eine minimale Versorgung vorhanden sein, die nach einer entsprechenden Erklärung zwischen EU und Drittstaat einfach als gegeben angenommen wird. Auch muss gemäß der Pläne nicht das ganze Land »sicher« sein, als sicher deklarierte Teilgebiete sollen dafür ausreichen. Und die Darlegungslast, dass das Land eben nicht sicher ist, soll auf die geflüchtete Person geschoben werden – sie muss das nachweisen, obwohl sie vielleicht noch überhaupt nie in dem Land war.
Das steht nicht nur in krassem Gegensatz zu den Zielen des Koalitionsvertrages, es wäre sogar ein systematischer Angriff auf das individuelle Recht auf Asyl in Europa. Eine klare Position der Bundesregierung dazu vermissen wir, denn die Vorgehensweise bietet rechtspopulistischen Regierungen die Chance, sich komplett aus dem Flüchtlingsschutz zurückzuziehen.